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Mittlere Geschichte. 1. Periode. Franken.
etwas zu unternehmen. Da aber sein Land an die Besitzungen
anstieß, die Pipin der Kleine dem Papste geschenkt hatte, so fiel
er diesem ins Land und nahm ihm mehrere Städte weg, so sehr
auch Hadrian — so hieß damals der Papst — um Einhalt
bat. Vergebens sanken 20 Mönche, die der Papst nach Pavia
geschickt hatte, zu des Königs Füßen. Da sandte Hadrian Boten
an Karl und ließ ihn um Hülfe bitten, und Karl säumte nicht.
Er zog über die hohen Alpen, durch die man ans dem ernsten
Norden in den lachenden Süden hinabsteigt. „Dort, wo selbst in
der Sommersglut beschneite Gipfel glänzend in den Himmel ra-
gen, ein starres Meer von Eis Abgründe deckt, die keines Men-
schen Auge sah, hat menschliche Kühnheit durch alten Granit, in
endlosern Winter, durch Nebel und Wolken den höchsten und
schmälsten Steg auf Erden gefunden. Wo vor grauer Zeit ein
schöner Tempel des Jupiter gestanden, in spätern und unsern
Tagen hülfreiche Augustiner all jedem Wanderer der Gastfreund-
schaft Pflichten üben"*) — dort zog Karls Oheim mit einem
Theile des Heeres, während Karl selbst über den Berg Cenis
überging. Desiderius hatte nicht gedacht, daß es Ernst werden
würde; nun wurde ihm bange. Er stieg auf den höchsten Thurm
von Pavia, von wo man weit und breit um sich sehen konnte;
bei ihm war Otker, ein fränkischer Herzog, der Karlmanns Wittwe
begleitet hatte und Karls Macht kannte. Als man nun von fern
Karls Gepäck sich nähern sah, fragte Desiderius, ob das nicht
Karl sei? — „ Noch nicht," antwortete Otker. Darauf kam ein
Zug gemeinen Volks; Desiderius fragte dasselbe und erhielt wie-
der die Antwort: „Noch nicht!" — Da wurde der König unru-
hig; Schweißtropfen traten vor seine Stirne. „Was sollen wir
thun," rief er, „wenn Mehrere mit ihm kommen?" — „Du wirst
ja sehen, wie er kommt," antwortete Otker; „was aus uns wer-
den soll, weiß ich nicht." Kaum hatten sie ausgeredet, als sich
ein neuer Haufe rührig und behend — vermuthlich die Leib-
wache — zeigte. „Aber das ist er gewiß?" fragte Desiderius er-
schrocken. „Immer noch nicht!" war die Antwort. Jetzt zogen
die Bischöfe und Aebte, die ganze Geistlichkeit mit Kaplanen und
Dienern heran; bei ihrem Anblicke sprach Desiderius mit beben-
der Stimme: „Laß uns hinabsteigen und uns unter der Erde
*) Der große Bcrnhardsberg. S. mein Handbuch der Geographie für
Töchterschulen, Th. 1.
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Extrahierte Personennamen: Hadrian Hadrian Karl Karl Karl Karl Karls Karls Karl Karl Desiderius Ernst Karlmanns Karls Karls_Gepäck Karls Desiderius Karl Karl Otker Otker Desiderius
Extrahierte Ortsnamen: Pavia Pavia Karls Bcrnhardsberg
Heinrich Iv. im Bann.
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alten Freunde, die oft an seiner Tafel geschwelgt hatten, um
einigen Vorschuß; aber er erhielt nichts und mußte ärmlicher
abreisen, als mancher gemeine Edelmann. Einige Tage vor Weih-
nachten (1076) — es war obendrein ein recht strenger Winter
— reiste er von Speier ab. Er hatte Niemand bei sich als seine
Frau, Bertha, die, was er an ihr nicht verdieilt hatte, die Noth
treu mit ihm theilte, sein kleines Söhnchen und einen Mann von
unbedeutender Herkunft. So reiste eine Kaiserfamilie. Als er
an die Alpen kam, fand er, daß seine Feinde ihm die Pässe
durch Tirol und die Schweiz verlegt hatten, um ihm die Aus-
söhnung mit Gregor zu erschweren. Er mußte also einen sehr
großen Umweg durch Burgund (jetzt ein Theil von Frankreich)
machen und über die See-Alpen nach Italien sich einen Weg
bahnen. Hierbei hatte der arme Mann mit den größten Be-
schwerden und Gefahren zu kämpfen. Selbst jetzt, wo doch fahr-
bare Straßen über dies Gebirge führen, reist man im Wiliter
hier nicht ohne Gefahr; geschweige damals, wo es noch ganz an
einem gebahllten Wege fehlte. Er mußte über hohe Bergrücken,
die mit ungeheuern Schneemassen bedeckt waren und wo ein eis-
kalter Wind ihnen die Haut an Gesicht und Händen abriß. Der
Schnee war so hart gefroren wie Eis, und so glatt, daß Men-
schen und Pferde jeden Angenblick in die Abgründe zu fahren
im Begriff waren. Und doch war die größte Eile nöthig; denn
bald war schon das Jahr verflossen, welches ihm die Fürsten ge-
setzt hatten. Wegweiser hatten ihm eine Bahn über den tiefen
Schnee brechen müssen. Nun hatte man endlich den Gipfel glück-
lich erreicht. Aber hier schien es unmöglich, weiter zu kommen;
denn die Seite nach Italien zu war so abschüssig und gatteisig,
daß man keinen Fuß fest hinsetzen konnte. Doch was half es?
Man mußte hinunter, auf Leben oder Tod. Die Männer kro-
chen aus Händen und Füßen, in beständiger Angst, in den gäh-
nenden Abgrund hinabzurollen; die Königin aber und ihre Kammer-
frau wurden in Rinderhäute eingenäht und so von den Führern
hinabgezogen. Den Pferden band man die Füße zusammen und
ließ sie so hinab; die meisten aber kamen dabei um. Endlich —
endlich kam man in der Ebene an. Glücklich war die Angst
überstanden, aber eine neue begann für den unglücklichen
Heinrich.
Gregor war bei Heinrichs Ankunft gerade auf der Reise
durch Ober-Italien, um aus den Reichstag nach Augsburg zu
TM Hauptwörter (50): [T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T42: [Papst Kaiser König Rom Heinrich Italien Karl Kirche Bischof Jahr]]
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Extrahierte Personennamen: Heinrich_Iv Heinrich Bertha Gregor Gregor Heinrich Heinrich Gregor Heinrichs Heinrichs
Extrahierte Ortsnamen: Burgund Frankreich Italien Italien Augsburg
Zweiter und dritter Kreuzzug. 131
gewöhnlich den Rothbart oder Barbarossa, weil er einen
langen röthlichen Bart hatte. Dieser Mann vergaß über dem
Schmerze wegen des Verlustes des heiligen Grabes seines hohen
Alters und unternahm mit vielen deutschen Herzögen, Grasen
und Rittern einen Kreuzzug (1189). In Klein-Alien gab es wie-
der grenzenloses Elend: fast täglich Gefechte, dabei Hunger, Durst
und Seuchen. Endlich hoffte man das Schlimmste überwunden
zu haben; denn man war nun bis fast an die hinterste Grenze
Klein-Asiens gekommen. Eines Tages (1190) war des Kaisers
Sohn mit dem Vordertreffen über einen reißenden Bergstrom
(Saleph) vorangezogen, während der Kaiser selbst mit dem Hin-
tertreffen noch zurück war, so daß der Strom zwischen ihnen slu-
thete. Friedrich wollte den Sohn bald einholen. Statt daher
über eine Brücke einen Umweg zu nehmen, setzte er, obgleich man
ihn warnte, durch den reißenden Strom. Aber das Wasser riß
ihn fort. Zwar eilten ihm Viele zu Hülfe; man bemächtigte sich
auch seines Körpers; aber als man ihn ans Land brachte, war
er bereits entseelt. Andere erzählen, er sei, am Rande des Flus-
tes hinreitend, abgeglitten und hineingestürzt. Kurz, er verlor
hier sein Leben. Dies war ganz in der Nähe des Flusses, in
welchem Alexander der Große beinahe seinen Tod gefunden hatte,
als er sich beim Baden erkältete. Noch Andere sagen, der Kaiser
habe an den Usern des Flusses sein Mittagsmahl gehalten. Das
klare kühle Wasser habe ihn zum Bade eingeladen. Er sei hinab-
gestiegen und habe hier seinen Tod gefunden. Die erste Erzäh-
lung ist die wahrscheinlichste. Das Heer klagte vier Tage lang
um ihn; dann zerstreuten sich die Meisten voll Verdruß; Viele
gingen nach Hause, Andere zogen weiter, aber Jerusalem hat
Keiner gesehen. Die Leiche des Kaisers wurde in Tyrus beigesetzt.
In demselben Jahre (1190) hatten auch zwei andere Kö-
nige einen Zug zur Eroberung des heiligen Grabes unternommen,
Richard Löwenherz von England und Philipp August
von Frankreich. Nach den gewaltigen Anstalten, die sie machten,
und nach den trefflichen Fürsten und Rittern, die im köstlichsten
Waffenschmucke mitzogen, hätte man glauben sollen, sie würden
gewiß recht viel ausrichten. Aber weit gefehlt! Die beiden Kö-
nige redeten miteinander ab, eine Seefahrt zu versuchen. Dabei
ersparten sie den ganzen langen Weg durch Deutschland, Ungarn
und das griechische Reich. Sie mietheten von den italienischen
Seestädten, deren Handel damals sehr blühte, Venedig, Ge-
9*
TM Hauptwörter (50): [T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Extrahierte Personennamen: Barbarossa Barbarossa Friedrich Friedrich Alexander Richard_Löwenherz_von_England Philipp Philipp August
Extrahierte Ortsnamen: Klein-Asiens Jerusalem Tyrus Frankreich Deutschland Ungarn Venedig
Karl von Anjou. Konradino.
175
gewissenhaften Bruders, war er ein stolzer, herrschsüchtiger, eigen-
nütziger Mensch. Schon sein Aeußeres war abschreckend. Seine
olivenfarbige Haut, sein kalter, strenger Blick, seine finstere Stirn
gaben ihm ein düsteres Aussehen. Nie sah man den Ausdruck
der Milde, des Frohsinns oder der Menschenliebe in seinen star-
ren Zügen. Er machte sich mit einem schönen Heere nach Ita-
lien auf den Weg und eroberte das Land, nachdem er bei Be-
ne v ent o (1266) Manfred besiegt hatte; denn vor der Schlacht
gingen viele Neapolitaner, die von Anjou bestochen waren, zu
diesem über, während dem Manfred nur die Deutschen und Mu-
hamedaner, die bei ihm dienten, treu blieben. Manfred sah das
mit Entsetzen; da fiel der silberne Adler, der als Kleinod seinen
Helm zierte, auf den Sattel herab. — „Das ist ein Zeichen von
Gott!" rief er, stürzte sich in das Feindesgewühl und fiel an
der Brücke von Benevento, wo die Feinde aus seine Leiche einen
Haufen Steine zum Denkmale auswarfen. Karl unterdrückte
durch Grausamkeit die Stimme Derer, die dem Hause Hohen-
staufen zugethan waren. Die Neapolitaner und Sicilianer
seufzten in der Stille über ihr Geschick, dachten an die schönen
Zeiten, wo Friedrich Ii. sie väterlich beherrschte, und sahen sich
um nach seinem Enkel Konradino, dem letzten Sprößlinge des
Hauses der Hohenstaufen. Dieser war in aller Stille und Ar-
muth unter den pflegenden Händen seiner Mutter Elisabeth
am bairischen Hose aufgewachsen; denn von allen den reichen
Ländern seines Großvaters hatte er nichts mehr übrig als einige
armselige Güter. Jetzt war er 16 Jahre alt, als Gesandte aus
Neapel zu ihm kamen, ihn einzuladen, sich an die Spitze aller Un-
zufriedenen zu stellen und dem Papste und dem Karl von Anjou
den Krieg zu erklären. Sie brachten ihm Geld mit, um Truppen
zu werben, und versicherten, daß jenseit der Alpen viele Tau-
sende nur aus ihn warteten; denn die Anmaßung der Fran-
zosen, ihre schnöde Verachtung aller Sittlichkeit und ihre Raub-
sucht habe Aller Herzeu empört. Konradino's Augen funkelten
bei diesen Anträgen von Muth und Kampfbegier. Er verglich
seine gegenwärtige Lage mit der Königskrone, die ihm angetragen
wurde, und so sehr auch die zärtliche Mutter ihm vorstellte, er
sei noch zu jung, um so weit solchen Gefahren entgegen zu gehen,
so viel sie auch weinte und ihn bei ihrer Liebe beschwor, noch
zu bleiben, so war doch Alles vergebens. Schnell wurden die
letzten Güter verpfändet. Konradino rüstete sich und die Sei-
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T31: [König Ludwig Karl Sohn Maria Frankreich Kaiser Tod England Philipp]]
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Extrahierte Personennamen: Karl_von_Anjou Karl Manfred Manfred Manfred Benevento Karl Karl Friedrich_Ii Friedrich Karl_von_Anjou Karl Muth
176 Mittlere Geschichte. 3. Periode. Italien.
nigen, und zog wohlgemuth über die Alpen, nachdem er in
Hohenschwangau sie zum letzten Male gesehen. An seiner Seite
war Friedrich von Baden, sein Herzensfreund, von gleichem
Alter, in gleicher Lage (denn auch ihm war sein Land entrissen
worden) und von gleichem Muthe. Von Jugend auf miteinander
erzogen, hatten sie die innigste Freundschaft geschlossen und jetzt
geschworen, Glück und Unglück miteinander zu theilen. Sie ha-
den ihren Eid auch gehalten und selbst den Tod miteinander
erduldet. Als Konradino nach Italien kam, sammelten sich um
ihn Die, welche mit dem Papste (Clemens Iv.) unzufrieden waren.
Er ging auf Rom los; der Papst floh, indem er drohend ausrief:
„Des Knaben Größe wird verschwinden, wie ein Rauch. Er zieht
hin gen Apulien wie zur Schlachtbank." Inzwischen war die
Freude der Römer grenzenlos. Sie führten den Prinzen auf
das Capitol und schmückten ihn mit Siegeskränzen. Wie ein
herabrollender Schneeball wuchs indeß Konradino's Heer, je nä-
her er der Grenze Neapels kam. Als er hier die Höhe des Ge-
birges erreicht hatte, von wo man in das schöne Land hinunter-
schaut — welcher Anblick zeigte sich da seinen trunkenen Blicken!
„Aller Schein des Nordens ist hier verschwunden; Hügel und
Thäler, Felder, Wiesen und Wälder, an Bächen liegende freund-
liche Häuser, an den Felsenwänden kühn hinanfgebaute Oerter
zeigen sich in unglaublicher Mannigfaltigkeit, und in größerer
Entfernung erscheinen, mit dem Dunkelblau des Himmels sich
verschmelzend, die ruhigen Fluthen des Sees von Celano. Wie
fröhlich jubelnd und aller finstern Ahnungen ledig mag Konra-
dino's Heer in dies neu eröffnete Paradies hinabgeblickt haben!
Was mußte der Jüngling fühlen, der dies herrliche Reich, sein
Erbreich, jetzt zu seinen Füßen sah!"*)
Als Konradino in ein vor ihm liegendes Thal hinabstieg,
sah er Karln und sein Heer sich gegenüber am Flusse Gari-
tz liano beim Dorfe Scurcola. Die Heerpauken und Trom-
peten erschallten. Mit wildem Geschrei stürzten sich Konradino's
kräftige Ritter auf die Franzosen, die, vom ersten Anpralle über-
wältigt, ihr Heil in der Flucht suchten. Jetzt sahen die -Sieger
keinen Feind mehr vor sich. Man überließ sich unbesorgt der gren-
zenlosen Freude, die Beute wurde getheilt, und da es ein heißer
Sommertag war, so lösten sich die Reihen auf; man legte Panzer
) Raumer in seiner Geschichte der Hohenstaufen.
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TM Hauptwörter (100): [T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T67: [Kaiser Türke König Jahr Ungarn Heer Land Friedrich Kreuzzug Jerusalem], T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod]]
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_von_Baden Friedrich Clemens_Iv. Celano
Extrahierte Ortsnamen: Italien Hohenschwangau Italien Rom Apulien Neapels
211
Schlacht bei Morgarten.
Landenberg fehlte nicht. In langem Zuge zogen die herrlichen
Ritter, alle von Kopf bis zu den Füßen gepanzert, mit wallen-
den Helmbüschen, in die Hohlwege der Alpen ein, auf Schwyz
los. Es schien ein Wald von Lanzen sich zu nähern. Aber die
Schwyzer waren wohlgemutst; ihnen kamen in der Stunde der
Gefahr einige Hundert aus Uri und Unterwalden zu Hülfe, so
daß es 1300 waren. Wie Wenige gegen so Viele! Aber sie stritten
für ihr Vaterland, ihre Weiber und Kinder, hatten eine gerechte
Sache, trauten auf Gott und waren aller Wege und Engpässe
wohl kundig. Sie stellten sich auf einen Berg, an dessen Fuß
ein kleiner See, der Aegsrisee liegt. Zwischen ihm und dem
Berge ging der Weg, den die trefflichen Ritter von Oestreich zo-
gen; die Gegend ward nachher der Morgarten genannt. So-
bald die ganze schwere Reiterei in dem engen Wege war, erhoben
sich die 1300, rollten große Steinblöcke, die sie oben zusammen-
gebracht hatten, hinab und schleudertell mit großer Kraft Steine
unter den dichtgedrängten Haufen. Jeder Stein traf. Die Füße
der Pferde wurden zerschmettert; die Thiere wurden scheu, und
drängten zurück in großer Angst. Aber hinten stand das Fuß-
volk und drängte vor, so daß die Reiter zu ihrem Schrecken sahen,
daß hier nicht zu entfliehen und daß alle Waffen unnütz seien.
Jetzt, wo die Verwirrung allgemein einriß, rannten die Schweizer
mit lautem Geschrei hinab, stießen und schlugen mit Hellebarden,
Morgensternen, Schwertern und Keulen aus die Ritter, die in
dem dichten Gewühle die Arme zu rühren und die Lanzen ein-
zulegen nicht vermochten. Viele setzten mit ihren Pferden in den
See hinein, vom Wasser mehr Erbarmen erwartend als von den
grimmigen Schweizern. Hier fanden viele —- viele edle Ritter
ihren Tod; Landenberg war unter ihnen; warum hatte er auch
seinen Eid gebrochen! Herzog Leopold entkam nur mit genauer
Roth, indem ein der Wege kundiger Mann ihn rettete. Aber
todtenblaß und in tiefer Traurigkeit kehrte er aus diesen furcht-
baren Bergen zurück. Er ist nie wieder in die Püffe der Wald-
städte gekommen. Dies war die Schlacht im Morgarten
(1315). Zwei Tage nach derselben kamen Abgeordnete aus den
drei Urcantonen in Brunnen, das am östlichen Ufer des Vier-
waldstädtersees in Schwyz herrlich gelegen ist, zusammen und
schloffen den ewigen Bund, eine Vereinigung, welche dem all-
gemeinen Schweizerbunde zu Grunde liegt.
Wgs Leopold nicht gelungen war, wollte 70 Jahre später
14*
TM Hauptwörter (50): [T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Extrahierte Personennamen: Landenberg Oestreich Leopold Leopold Roth Leopold Leopold
286 Mittlere Geschichte. 3. Periode. Deutschland.
ten mußte. Es hat nicht leicht einen listigern, falschern und
selbstsüchtigern Fürsten gegeben, als dieser Ludwig war. Als er
den Thron bestieg (1461—83), nahm er sich vor, die königliche
Gewalt unumschränkt zu machen, und er hat mit der schlausten
Berechnung und, wenn es sein mußte, mit offener Gewalt sein
Ziel erreicht. Die Hindernisse aber waren nicht gering, denn in
jenen Zeiten war die Macht des Königs in Frankreich sehr un-
bedeutend und eingeschränkt, weil sehr große Theile des Landes
noch eigene Fürsten und Herren hatten, über welche die Ober-
gewalt des Königs nur scheinbar war. Ludwig Xl mußte also
mit diesen Herren den Kampf erwarten, und er hat auch wirk-
lich mehrere Kriege mit ihnen geführt, in welchen er einige Male
anr Rande des Abgrundes stand. Zuletzt aber blieb er stets der
gewinnende Theil, denn er wußte in der Bedrängniß immer ge-
schickt nachzugeben, und kein Eid war ihm heilig, kein Mittel zu
böse oder gering. In welchem Leumunde er stand, kann man
daraus ersehen, daß man ihm bei dem schnellen Tode seines
Bruders, des Herzogs Karl von Guienne, nachsagte, er habe
denselben vergiften lassen.
Ludwigs Xi. mächtigster und heftigster Gegner war Karl
der Kühne von Burgund. Er hatte sein Heer schon einige Male
gegen den König geführt, ja sogar denselben einmal in Peronne
gefangen gehalten. Ludwig aber war mit fuchsgleicher List und
Treulosigkeit davongekommen. Nun hegte der heftige Karl den
Plan: den König vom Throne zu bringen, diesen dem Könige
von England zu verschaffen und Burgund zu einem Königreiche
zu erheben. Wie des stolzen Herzogs Plan nicht erfüllt wurde,
haben wir gesehen, und ein später gelandetes englisches Heer
wußte Ludwig Xi. durch Unterhandlungen unschädlich zu machen.
Karls unruhiger Geist trieb ihn einige Jahre darauf (1476)
in einen Krieg mit Lothringen und der Schweiz. Er hatte an
seinen reichen Ländern nicht genug und glaubte in seinem Ueber-
muthe, daß ihm Alles gelingen müßte. So fiel er dem Herzoge
Renatus von Lothringen, seinem Nachbar, ins Land und
eroberte dessen Hauptstadt Nancy. Dann wollte er auch die
Schweizer unterwerfen. Er hatte vergessen, wie es den drei
Leopolds von Oestreich im Morgarten, bei Sempach und bei
Näfels gegangen war. Zwar schickten die Schweizer eine Ge-
sandtschaft zu ihm und ließen ihm vorstellen, daß ja ihr ganzes
Land nicht so viel werth sei, als die silbernen Zäume seinen
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Extrahierte Personennamen: Ludwig Ludwig Ludwig_Xl Ludwig Karl_von_Guienne Karl Ludwigs Ludwigs Karl
der_Kühne Karl Ludwig Karl Ludwig_Xi Ludwig Karls Renatus_von_Lothringen Nancy Leopolds Oestreich
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Frankreich Burgund England Burgund Karls Lothringen Sempach
Maximilian.
297
Gemahl erkoren, und will ihn auch jetzt zum Gemahl haben, und
keinen Andern!" Geschwind reisten die Gesandten nach Wien und
brachten die angenehme Nachricht; Maximilian eilte zu ihr. Am
19. August 1477 reichte ihm Maria ihre Hand, und die reichen
Länder von Burgund, nach denen Ludwig gelüstet hatte, gingen
an das Haus Oestreich über. Leider hatte die sehr glückliche Ehe
nur wenige Jahre gedauert. Maria, nach der Sitte jener Zeit
und aus eigener Neigung dem Vergnügen der Jagd sich hin-
gebend, stürzte ans einer Falkenbeize mit dem Pferde und ver-
letzte sich hödtlich. Als ihr Gemahl, von Schmerz gepeinigt, von
ihrem Sterbelager nicht weichen wollte, bat sie ihn sanft: „Ver-
lasse mich; erspare dir und mir in den letzten, schweren Augen-
blicken den Anblick des Scheidens.^ Verlasse mich; es ist uns beiden
besser! Lebe wohl!" — Ihr Tod fällt in das Jahr 1482.
Maximilian, der nach seines Vaters Tode deutscher Kaiser
wurde und von 1493 —1519 regiert hat, war dieses, aber nur
zu kurzen Glückes auch werth! Er war ein Mann von großer
Gesinnung, und einen kühnern Ritter gab es damals kaum. Eine
Menge von Todesgefahren, in die er durch seine Tollkühnheit
als Jüngling gerieth, werden erzählt. Hier nur eine davon. Ein-
mal ging er in den Bergen von Tirol auf die Gemsenjagd. Es
war in der Gegend von Innsbruck auf einem hohen Felsen, die
Martinswand genannt. Er kletterte und kletterte, ohne sich um-
zuschauen, und verkletterte sich endlich so, daß er weder vorwärts
noch rückwärts konnte. So viel er auch suchen mochte, so war
doch nirgends ein Rückweg zu finden. Ueber ihm hingen drohende
Felsenmassen herab, und vor ihm war ein tiefer, jäher Abgrund
wohl 200 Klaftern tief. Seine Begleiter hatten ihn verloren;
endlich erblickten sie ihn da oben in schwindelnder Höhe. Zwei
Tage und zwei Nächte brachte der arme Prinz hier -zu, ohne
Speise und Trank. Da verzweifelte er an seiner Rettung. Er
ries so laut wie er nur konnte, hinunter, er wolle sich zum Tode
bereiten, und verlange, daß die Priester das heilige Sacrament
ihm von fern zeigten; und während die unten Messe lasen, kniete
er oben nieder und empfahl Gott seine Seele. Das Gerücht von
seiner Gefahr flog bald durch das ganze Land. In allen Kirchen
wurde für seine Rettung gebetet, und das ganze kaiserliche Haus
war in tiefer Betrübniß um den einzigen Sprößling. Während
er da oben noch betete, hörte er hinter sich ein Geräusch. Er
wandte sich schnell um. Es war ein junger Bauer, der ihm treu-
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
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TM Hauptwörter (200): [T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T191: [Karl Sohn König Tochter Haus Kaiser Ludwig Herzog Tod Johann], T6: [Berg Fuß Höhe Gipfel Gebirge Schnee Meer Fels Ebene See], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht]]
Extrahierte Personennamen: Maximilian Maximilian Maximilian Maximilian August Maria Maria Ludwig Ludwig Maria Maria Maximilian Maximilian
Extrahierte Ortsnamen: Wien Burgund Haus_Oestreich
Entdeckungen.
301
nun auch der Boden so trefflich durch die Asche gedüngt, daß die
Weinreben, die sie anpflanzten, über die Maßen schön gediehen.
Noch jetzt ist der Madeira ein sehr geschätzter Wein.
Nicht lange darauf (1432) wurden die azorischeu Inseln
entdeckt; sie erhielten, da sie menschenleer waren, 1449 die ersten
Einwohner und 1466 wurde eine niederländische Colonie hier ge-
gründet. Auch erhielt Heinrich Nachricht von den canarischen
Inseln, die schon lange entdeckt, aber noch nicht benutzt worden
waren, und schickte einige Schiffe ab, sie zu erobern (1406). Das
gelang auch. Man fand da wilde Menschen, die sich in Thier-
häute kleideten, kein Eisen kannten und nicht einmal Brod zu
backen verstanden. Die armen Leute wurden, ehe sie es sich ver-
sahen, überfallen und die meisten todtgeschlagen. Nur Die, welche
sich taufen ließen, ließ man am Leben.
Wie freute sich Dom Heinrich über diese schönen Entdeckungen!
Sie machten seine Hoffnung, daß da noch Vieles zu entdecken
wäre, immer lebhafter. Seine Schiffe mußten nun immer weiter
längs der Küste hinunterfahren, entdeckten den Fluß Senegal
und umfuhren das g r ü n e V o r g e b i r g e. Wo man landete, fand
man entweder starre Sandwüsten oder wilde Einwohner, die mit
den Portugiesen nichts zu thun haben wollten. Man fuhr wei-
ter, entdeckte Guinea und passirte endlich gar die Linie, ohne
zu verbrennen. Zwar war es ziemlich heiß, aber die Hitze war
doch auszuhalten, und warum sollte man also nun nicht weiter
fahren können? Afrika mußte doch irgendwo ein Ende haben.
Neue Schiffe wurden ausgesandt und entdeckten das Reich Congo,
dessen König schon in freundliche Verbindung mit den Portu-
giesen trat.
Ueber diesen Entdeckungen waren viele Jahre vergangen;
der thätige Dom Heinrich war indessen (1463) gestorben, und
nach ihm wurden die Entdeckungsreisen eine Zeitlang nicht mehr
mit solcher Thätigkeit betrieben. Nachdem aber Johann Ii. Kö-
nig von Portugal geworden war, rüstete dieser eine Flotte aus,
um zu sehen, wo denn die südlichste Spitze von Afrika sei, und
ob mau nicht um diese herum bis nach Indien kommen könnte.
Das Geschwader führte der unternehmende Bartolomeo Diaz.
Unterwegs hatte er fürchterliche Stürme auszustehen, und noch
ärgerlicher waren ihm die Meutereien unter seiner Schiffsmann-
schaft. Diesen Leuten, die noch nicht so lange auf dem offenen
Meere herumgeschifft waren wurde bange; sie verlangten durch-
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Extrahierte Personennamen: Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Johann_Ii Johann Bartolomeo_Diaz
Extrahierte Ortsnamen: Senegal Guinea Afrika Portu- Portugal Afrika Indien
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Mittlere Geschichte. 3. Periode. Entdeckungen.
noch heute umkehren." — Aber es fand sich auch nicht ein Ein-
ziger; Alle schwuren ihm Gehorsam und Treue bis in den Tod.
Nun rückte Cortez in das Innere des ihm ganz unbekannten
Landes vor. Zu seinem Glück schlugen sich mehrere Gaue, durch
welche er marschirte, auf seine Seite, weil sie mit der Herrschaft
Montezuma's unzufrieden waren. Zuerst kam er nach Zam-
po alla, wurde freundlich aufgenommen und von 400 Einwoh-
nern bei seinem Abzüge begleitet. Als er sich Tlascala näherte,
griffen ihn die Einwohner zwar feindlich an, aber er bezwang
sie und 6000 derselben verstärkten sein Heer. Auch in Eh o lula
fand er offene Arme.
Nun ging es aus Mexico selbst los. Als die Spanier ein
rauhes Gebirge erstiegen hatten, lag plötzlich eine herrliche Ebene
vor ihnen, schöner als sie je eine gesehen. Ringsum war sie von
hohen Gebirgen eingeschlossen; in ihr zeigten sich mehrere Seen;
eine Mengelustwälder und angebaute Felder wechselten miteinander
ab, und viele Dörfer und Städte zeigten sich den trunkenen Blicken
der Spanier, die sich an dem köstlichen Panorama nicht satt sehen
konnten. In der Mitte der Ebene aber erhob sich mit den glän-
zenden Zinnen ihrer Tempel und Paläste die Hauptstadt Mexico.
Sie lag mitten in einem großen See, über welchen mehrere
Dämme nach der Stadt führten, und je näher die Spanier ka-
men, desto reizender und angebauter wurde die Gegend. Schöne
Landhäuser mit Lustgärten voll wohlriechender Blumen und
Stauden, mit künstlichen Teichen voll Fische und Wasservögel
lagen rings um die Hauptstadt und zeigten, daß man sich der
Residenz eines reichen und mächtigen Fürsten nähere.
Montezuma war indessen unschlüssiger als je, ob er die
Spanier als Freunde oder als Feinde empfangen sollte. Fast
täglich schickte er ihnen einen Boten entgegen, mit der Bitte, sich
doch nicht erst nach Mexico zu bemühen. Aber Cortez ließ sich
nicht irre machen, setzte ruhig seinen Weg fort und antwortete
immer, er müsse schlechterdings mit dem Kaiser selbst sprechen.
Endlich erreichte er die Nähe der großen Stadt, die ungefähr
400,000 Einwohner enthalten mochte. Da kamen ihm 4000 vor-
nehme Indianer, alle in kattunene Mäntel gekleidet und mit
Federbüschen geschmückt, entgegen. Nachdem sie einzeln bei Cortez
vorübergezogen waren und ihn ehrerbietig gegrüßt hatten, mel-
deten sie, daß Montezuma selbst ihm entgegenkomme. Als nun
Cortez ans Thor kam, sah er vor sich eine lange Straße, die
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